Auf den Anfang kommt es an!

Geburtshäuser: Beständig originäre Hebammenarbeit für Frauen –
selbstbestimmt seit über 30 Jahren

Geburtshäuser wurden Ende der 1980er Jahre gegründet, aus einer Gegenbewegung zur damals hoch technisierten und medikalisierten Geburtshilfe heraus. Gesellschaftspolitische Basis war die Frauenbewegung, die für schwangere und gebärende Frauen mehr Selbstbestimmtheit einforderte – im Bewusstsein, dass eine Geburt, die nicht durch unnötige technisch-medizinische Interventionen gestört wird, für die weitere körperliche und psychische Gesundheit von Frau und Kind von unschätzbarem Wert ist. Die „normale Geburt“ ist Gesundheitsprävention!

„Geburt ist keine Krankheit“ – „Es ist nicht egal, wie wir geboren werden...“. 

Das waren und sind wichtige Leitgedanken für die Begleitung schwangerer Frauen, für die Betreuung der Geburt und die Betreuung von Frau und Neugeborenem in den ersten Wochen, wie sie durch Hebammen angeboten und durchgeführt werden. Dass dieses „Davor, Dabei, Danach“ nicht im Krankenhaus stattfinden muss, sondern auch zuhause oder in einem Geburtshaus, wissen viele nicht. Aber gerade hier, in der ruhigen Atmosphäre und mit der professionellen und einfühlsamen Begleitung durch eine Hebamme oder ein Hebammenteam findet in Geburtshäusern seit über 30 Jahren ein Alternativprogramm zur klinischen und medizinisch orientierten Geburtshilfe statt. 

Hebammen, die schwangere und gebärende Frauen in Geburtshäusern begleiten, die Geburten anleiten und dafür sorgen, dass jede Frau ihren Geburtsort als sicheren Ort erleben kann, stärken Frauen in ihren physischen und psychischen Ressourcen und fördern ihre Selbstbestimmtheit. Jede Schwangerschaft und vor allem auch jede Geburt ist ein außergewöhnliches Geschehen und eine höchst individueller Prozess. So hat die enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit von Hebamme und Frau eine besonders wichtige Unterstützungsfunktion.

Jede Frau wird durch eine Hebamme betreut, die ausschließlich für sie da ist! 

Diese sogenannte „Eins zu Eins“- Betreuung ist für die Qualität und Sicherheit von Geburten besonders wichtig. Das zeigen viele Studien, und dieser Zusammenhang gelangt immer mehr auch ins Bewusstsein aller, die sich mit Schwangerschaft und Geburt befassen. In Geburtshäusern ist diese „Eins zu Eins“- Betreuung eingeplant und sichergestellt.

Bei der Schwangerenbetreuung gilt, dass es zum Ende der Schwangerschaft hin wichtig ist, die Vorsorgen ausschließlich im Geburtshaus durchzuführen: Da die wenigsten Probleme unter der Geburt plötzlich, ohne Vorankündigung auftreten, ist die Begleitung schon in der Schwangerschaft durch die Hebamme so wichtig. sie kann so im Bedarfsfall rechtzeitig gegensteuern.

Hebammen in Geburtshäusern arbeiten vollkommeneigenständig. Jede Hebamme trägt individuell eine große Verantwortung für   ihr gesamtes Tun, die sie nicht an ein Team oder Arzt/Ärztin abgeben kann. Gleichzeitig ist die Arbeit im Geburtshaus aber auch sehr durch Teamarbeit geprägt: Fallbesprechungen, die Zusammenarbeit mit der zweiten Hebamme, die zur Geburt hinzukommt, Teamsitzungen und gemeinsame Fortbildungen – all dies trägt dazu bei, dass Geburtshäuser nicht nur für schwangere Frauen, sondern auch für Hebammen ein attraktiver Ort sind, um ihre Vorstellungen von guter Hebammenarbeit umsetzen zu können. 

 

Jedes Geburtshaus ist individuell!

Die Geburtshäuser selbst sind sehr unterschiedlich aufgestellt, unterscheiden sich in Rechtsform, Teamgröße und Arbeitsmodellen, was häufig die Gegebenheiten vor Ort und die regionalen Bedürfnisse der Klientel (schwangere Frauen/arbeitende Hebammen) abbildet. Die große Individualität von Geburt spiegelt sich in dem geburtsbegleitenden System wider! Hebammen in Geburtshäusern leisten seit vielen Jahren wertvolle Arbeit, stehen für die Wahlfreiheit des Geburtsortes für Frauen und eine hohe Qualität und Sicherheit in der Geburtshilfe. Dies beweist Jahr für Jahr die Auswertung aller erfassten Geburtshausgeburten. Die Geburtshäuser sind gesetzlich verankert, haben ausgefeilte Qualitätsmanagementsysteme, die der regelmäßigen Überprüfung unterliegen und Voraussetzung dafür sind, dass die Häuser mit den Krankenkassen ihre Betriebskosten abrechnen können. 

Das Hebammenreformgesetz benennt im Rahmen der künftigen Akademisierung des Hebammenberufs ausdrücklich die hohe Wertigkeit von Geburtshäusern für die praktische Ausbildung von Hebammen. 

Obwohl die Plätze im Geburtshaus sehr begehrt sind und in der Regel lange Wartelisten bestehen, ist die Geburt im Geburtshaus bisher eine Nische geblieben. In Berlin allerdings herrscht eine besondere Geburtshauskultur: Hier ist die Rate traditionell doppelt so hoch und es gibt auch mit sechs Häusern eine sehr große Anzahl von Angeboten. Dass bestehende Häuser unterstützt werden und Rahmenbedingungen für Entwicklung der Häuser und für Neugründungen möglichst gut sind, dafür setzt sich das Netzwerk der Geburtshäuser e.V. ein, das auch die gemeinsame gesundheitspolitische Arbeit fördert und zusammen mit den Hebammenverbänden die Verhandlungsposition der Geburtshäuser gegenüber den Krankenkassen stärkt.

 

Dr. Christine Bruhn

Seit 2012 Geschäftsführerin im Geburtshaus Charlottenburg, seit 2015 im Vorstand des Netzwerk der Geburtshäuser e.V. für die außerklinische Geburtshilfe und damit zusammenhängend in verschiedenen berufspolitischen Bezügen.