Wenn Frauen zu Löwinnen werden

über die Bedeutung von „natürlichen“ Geburten

„Vor dem Moment der Geburt, diesem so empfindlichen Moment, sollten wir die größte Hochachtung haben. Hier geschieht etwas, das so wenig greifbar ist wie das Erwachen am Morgen. Das Kind ist auf der Schwelle zwischen zwei Welten. Es zögert. Um Himmels willen, drängt es nicht. Lasst es kommen. Lasst ihm sein eigenes Tempo, seinen Rhythmus, seine Zeit.“ (F. Leboyer)

Copyright: Ulla Trampert/pixelio.deWas Frédérick Leboyer als „Vater der sanften Geburtsmedizin“ in den 1970er Jahren erkannt hat, passt so gar nicht zu der heute oftmals gängigen Praxis, den Geburtsvorgang durch medizinisch-technische Eingriffe zu beschleunigen. Dabei sind vor allem Ruhe und Geduld gefragt, um die Geburt zu dem werden zu lassen, was sie ist: ein Akt der Liebe, ein beglückendes Fest und ein herausragendes Ereignis in unserem Leben, das ohne „Störungen“ von außen seine ganz eigene Kraft entfalten kann.

Was ist eigentlich normal?

Frauen gebären meist aus Sicherheitsgründen im Krankenhaus statt im Geburtshaus oder zu Hause. Die Angst, es nicht alleine zu schaffen, und die Sorge um eventuell auftretende Gefahren und Risiken stehen im Vordergrund. Sind Geburten denn in der Tat so unsicher? Warum werden häufig Wehen künstlich eingeleitet? Ist es wirklich notwendig, dass jedes dritte Kind in Deutschland per Kaiserschnitt auf die Welt kommt? Und wieso finden in Deutschland nur 7 % aller Geburten ohne medizinisch-technische Eingriffe statt, obwohl die WHO (World Health Organization) die Auffassung vertritt, dass 70-80% aller Geburten „normal“ verlaufen könnten, wenn man es nur zuließe ...?

Wandel der Geburtskultur

Es ist schon erstaunlich, dass es einen Verein wie den „Förderverein Normale Geburt e.V.“ mit Sitz in Berlin überhaupt geben muss, um für eine beziehungsorientierte Geburtskultur, eine selbstbestimmte Schwangerschaft und eine physiologisch normale Geburt mit 1:1-Hebammenbetreuung zu werben. Es scheint in der Tat ungewöhnlich zu sein, auf natürliche Weise ein Kind zur Welt zu bringen. Und je häufiger die Geburten allzu medizinisch bestimmt erfolgen, desto mehr geht das traditionelle Hebammenwissen verloren. „Mehr als die Hälfte aller Frauen bekommt eine Anästhesie und bei über einem Drittel wird ein Dammschnitt durchgeführt – innerhalb nur einer Generation hat sich die Geburt zu einem technischen Vorgang entwickelt“, so Frau Dr. Christine Bruhn, Geschäftsführerin des Geburtshaus Charlottenburg und Mitinitiatorin des Fördervereins.

Zurück in die Natürlichkeit

Dabei kann eine physiologisch normale Geburt so viel Gutes auf körperlicher und seelischer Ebene für Mutter und Kind bewirken: Da ist zum Beispiel die vermehrte Ausschüttung des Hormons Oxytocin, das einer „Überdosis Liebe“ gleichkommt. Oder die bakterielle Stärkung des kindlichen Immunsystems durch das Passieren des Geburtskanals.

Mit großem Engagement setzt sich Hebamme Kirsten Proppe für eine natürliche Geburt abseits der angstbesetzten Geburtsmedizin ein, unter anderem arbeitet sie aktiv am Projekt Natürliche Geburt bei „The World Foundation for Natural Science“ mit. Sie ist davon überzeugt, dass man den derzeitigen „Technisierungstrend“ wieder umkehren kann. Schließlich schlummere in jeder Frau eine starke Löwin, die geweckt werden wolle. Wichtig ist, dass die Frauen lernen, ihre Ängste abzulegen, wieder auf ihre Intuition zu vertrauen und somit in ihre weibliche Kraft kommen können: „Wer die Schwangerschaft nur mit ängstlichen Erlebnissen und Gedanken füllt, der nimmt sich die Chance in diese Atmosphäre zwischen Himmel und Erde einzusteigen“, so Proppe. Die Kunst, natürlich zu gebären, beruht ihrer Meinung nach „auf dem Vermögen der Gebärenden, sich selbst in einen Zustand zu versetzen, in dem sie nicht ganz von dieser Welt zu sein scheint. Sie zieht sich zum Gebären vertrauensvoll aus der äußeren Welt – aus der linken, rationalen Gehirnhälfte – zurück und öffnet sich den Fähigkeiten und der Führung ihrer intuitiven Seite, die in der rechten Gehirnhälfte verankert ist. Man könnte auch sagen, sie lässt den Kopf los und öffnet sich der Kraft ihres Herzens.“  Hat die Gebärende eine erfahrene Hebamme an ihrer Seite, zu der sie vollstes Vertrauen hat, kann sie sich voll und ganz diesem „Loslassen“ hingeben. Denn der weibliche Körper weiß schließlich seit Anbeginn der Zeiten, was zu tun ist, und auch das Baby im Bauch hilft mit!

Neben der „emotionalen Geburtsvorbereitung“ – dem Aufbau einer innigen Gefühlsbindung zwischen Mutter und Kind – gibt es verschiedene Methoden, die für eine natürlich ablaufende Geburt förderlich sind: von Marie F. Mongans Hypnobirthing über Leboyers Sanfte Geburt bis hin zu Nancy Bardackes Geburtsvorbereitung mit Achtsamkeit. Ebenfalls zu nennen sind die vorgeburtliche Mutter-Kind-Bindungsanalyse und die Haptonomie. Alle diese Methoden haben eines gemeinsam: Sie stärken das Mutter-Kind-Team, schenken Vertrauen in die eigene Kraft und ebnen den Weg für eine liebevolle Geburt.

Simone Forster

Weitere Informationen:

www.normale-geburt.de
www.haptonomie.com/de
www.bindungsanalyse.de
www.natuerliche-geburt.com/upload/zs59_natuerliche_geburt.pdf


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