Hebammen – ein Berufsstand zwischen Hoffen und Bangen

Der Hebammenberuf ist der schönste auf der Welt, könnte man meinen, denn wer darf schon während seiner Arbeit Zeuge sein, wenn das pure Glück geboren wird? Trotzdem gibt es beunruhigende Entwicklungen, und so liest man immer wieder Schlagzeilen wie „Geburtshilfe lohnt sich nicht mehr“, „Reisewarnung wegen Hebammenmangel – Schwangere sollten Bayern, Berlin und die Küsten meiden“, „Überlastung auf Berliner Entbindungsstationen“, „Trotz Babybooms Hebammen in Berlin verzweifelt gesucht“, „Zu wenige Hebammen für zu viele Geburten“ ... 

 

Abb: © Thomas Reimer/Fotolia.com

 

Fakt ist: Deutschlandweit gibt es ca. 24.000 Hebammen, davon sind allerdings längst nicht alle in der Geburtshilfe tätig. Dem gegenüber stehen die hohen Geburtenraten – in Berlin gab es mit rund 41.000 Geburten 2017 einen Rekordwert. Das wiederum führt dazu, dass die meisten Hebammen über Monate im Voraus ausgebucht sind, und in den Kliniken kann es sein, dass Frauen aus Platzmangel abgewiesen werden oder eine Hebamme gleich mehrere Geburten gleichzeitig betreuen muss. So wurden seit 1991 ca. 40 Prozent sämtlicher Geburtsstationen bundesweit geschlossen und die noch verbleibenden Kliniken gelangen Tag für Tag an ihre Kapazitätsgrenzen, da sie aufgrund der hohen Arbeitsbelastungen (Personalmangel, rund um die Uhr Erreichbarkeit, 24-Stunden-Einsätze, Schichtdienst, zu niedrige Vergütung, Sparzwänge) schlichtweg nicht genügend Hebammen haben. Dass die jährliche Haftpflichtversicherungsprämie für Hebammen von 393 Euro im Jahr 1998 auf mittlerweile 7.639 Euro (2017) gestiegen ist, hat die Situation zusätzlich verschärft. 

 

Doch es sind auch ein paar Steine ins Rollen gekommen: Im Rahmen eines Schiedsspruchs vom 5. September 2017 wurde festgelegt, dass zwei Drittel dieser Haftpflichtversicherungsprämie bei Einhaltung gewisser Auflagen vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zurückerstattet werden. Außerdem wurde die Vergütung der Hebammenarbeit um rund 17 Prozent angehoben. Zu Kontroversen hat allerdings die Tatsache geführt, dass seitdem pro Stunde nur zwei Schwangere von den Hebammen abgerechnet werden dürfen. Dies entspreche nicht der Klinikrealität und es müssen nun noch mehr Frauen abgewiesen werden, heißt es. Doch wer kann schon eine Betreuung von mehr als zwei Gebärenden gleichzeitig vertreten? Es gilt, neue Lösungswege zu finden.

 

Reinhild Bohlmann, 1. Vorsitzende des Bundes freiberuflicher Hebammen Deutschlands, bleibt hoffnungsvoll: „Es bewegt sich einiges und das wird auch weiterhin so sein.“ In Berlin wurde zum Beispiel am 20. März 2018 vom Berliner Senat für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung ein Aktionsprogramm für eine sichere und gute Geburt verabschiedet, durch das zeitnah 20 Millionen Euro für den Ausbau von Kreißsälen an sechs Berliner Standorten investiert und 130 neue Ausbildungsplätze für Hebammen geschaffen werden. Reinhild Bohlmann mahnt allerdings dazu, den derzeitigen Zentralisierungstrend zu stoppen, der dazu geführt hat, „dass viele kleinere Häuser geschlossen wurden und alles in die großen Kliniken verlegt wird.“ 

Um die Situation etwas zu entspannen, rät Reinhild Bohlmann dazu, wieder gezielt für Hebammen zu werben und das bisherige Bewusstsein rund um die Geburt zu verändern: „Man lockt die Hebammen in die Kliniken, wenn sie zum einen wieder mehr normale Geburten begleiten können und nicht so viele Kaiserschnitte gemacht werden, zum anderen, wenn die Hebamme als Fachfrau anerkannt wird. Hierfür ist es wichtig, dass die derzeit viel zu häufig noch vertretene Haltung, der Kaiserschnitt sei der einfachere Weg, aufhört.“ 

 

Was hat all das für die Schwangeren zu bedeuten? 

Jede Schwangere muss sich so früh wie möglich (am besten schon ab positivem Schwangerschaftstest!) auf Hebammensuche begeben. Für den Fall, dass sie keine Hebamme mehr für die Vorsorge, Geburt und/oder das Wochenbett gefunden hat, sollte sie dies beim Deutschen Hebammenverband auf der „Landkarte der Hebammenunterversorgung“ (www.unsere-hebammen.de/mitmachen/ unterversorgung-melden) eintragen. Und sie kann sich Initiativen und Vereinen anschließen – zum Beispiel der Bundeselterninitiative Motherhood oder dem Berliner Förderverein Normale Geburt e.V. –, um gemeinsam konstruktiv gegen die Missstände zu protestieren und etwas für sich selbst, für die Hebammen und für die gesamte Gesellschaft zu bewegen. 

 

Ein Zeichen der Hoffnung ... 

... ist, dass das Hebammenwesen von der Deutschen UNESCO-Kommission Ende 2016 in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde und bis Ende 2020 geprüft wird, ob es sogar in die internationale UNESCO-Liste eingetragen wird. „Das wäre ein großer Schritt für uns Hebammen, würde unsere Arbeit zum immateriellen Weltkulturerbe zählen“, ist sich auch Reinhild Bohlmann sicher. „So könnte das Bewusstsein auf die schönen Seiten des Berufes gelenkt und der Beruf abseits sämtlicher Negativtrends wieder verstärkt in seiner ursprünglichen Natürlichkeit wahrgenommen und wertgeschätzt werden.“ 

 

Weitere Infos: 

www.bfhd.de, www.hebammenverband.de,

www.mother-hood.de, www.normale-geburt.de 

Simone Forster