„Mama, bitte sprich mit mir!“

Über die Bedeutung der vorgeburtlichen Kommunikation  

Schon im Mutterleib werden die Weichen gestellt, ob sich ein Kind aufgehoben oder verloren fühlt, ob es die Welt als guten Ort begreift oder als einen, an dem es sich fürchten muss. Der Facharzt für Psychotherapeutische Medizin und Pränatalpsychologe Dr. med. Ludwig Janus widmet sich seit über 40 Jahren dem seelischen Erleben vor und während der Geburt. Im Interview erklärt er, wie werdende Mütter mit ihrem Baby im Bauch kommunizieren können und warum dies die Entwicklung des Babys äußerst positiv beeinflussen kann.             
      Abb.: © panthermedia.net /Jirsak

Interview: Simone Forster

In Ihrem Buch „Der Seelenraum des Ungeborenen“ schreiben Sie über die Bedeutung der vorsprachlichen Erfahrungen und dass die Gefühle und Empfindungen der Mutter bereits in der Schwangerschaft großen Einfluss auf das Kind haben. 
Was bekommt das Kind tatsächlich mit?

Dr. med. Ludwig Janus: Was die Mutter erlebt und fühlt, die Art und Weise, wie sie sich mit ihrem Kind verbindet, ob sie es willkommen heißt, prägen sein Unbewusstes, sein „Wie-es-sich-in-der-Welt-fühlt“. Da wir aber erst mit zwei bis drei Jahren das Sprechen lernen, sind sämtliche Erlebnisse vor, während und nach der Geburt sprachlich nicht repräsentiert. Trotzdem sind sie von großer Tragweite. Denn so, wie wir Arme, Beine und einen kleinen Körper haben, so haben wir auch vor der Geburt eine Seele, ein Empfinden, ein Erleben. 

 

Was passiert, wenn die Mutter während ihrer Schwangerschaft
vor allem ängstlich ist?

Dr. med. Ludwig Janus:  Hat die Mutter viel Angst, lebt das Kind in einer Angstwelt. Ist sie generell zufrieden, lebt es in einer Zufriedenheitswelt. Das hat insofern drastische Auswirkungen, als dass sich beim kindlichen Gehirn entweder die Neuronen für Angst oder für Zufriedenheit gut entwickeln. Und so geht das Neugeborene auch mit genau diesem Erfahrungshorizont in die Welt, den es von seiner Mutter mitbekommen hat: Es begreift die Welt je nachdem als Angst- oder Zufriedenheitsort.

 

Darf sich die werdende Mutter über nichts ärgern oder gar wütend sein?

Dr. med. Ludwig Janus: Natürlich ist es der Schwangeren nicht möglich, ständig zufrieden und glücklich zu sein. Das ist auch völlig in Ordnung. Ärgert sie sich zum Beispiel über ein Schreiben vom Finanzamt und ist außer sich vor Wut, kann sie ihrem Kind erklären: „Meine Wut hat nichts mit dir zu tun.“ Das ist wichtig. Das Kind versteht: „Mamas Panik ist nicht meine.“  

 

Wie kann die Mutter mit ihrem Kind in Kontakt treten?

Dr. med. Ludwig Janus: Der außersprachliche Kontakt ist sehr differenziert. Wichtig ist, dass die Mutter sich Zeit für das Kind in ihr nimmt. Sie kann ihrem Kind ihre Gefühle mitteilen, das spürt das Kind unmittelbar. Es gibt sehr subtile kommunikative Möglichkeiten. Wie das Kind seine Mutter versteht, ist letztlich vergleichbar mit einem Reiter und seinem Pferd. Das Pferd versteht ganz viel von dem, was der Reiter will. Oder wenn man verliebt ist und man sitzt nebeneinander: Man spürt, wenn der andere auch nur einen Millimeter wegrückt und fragt sich: „Was ist denn jetzt?“

 

Und was ist mit dem Vater?

Dr. med. Ludwig Janus: Auch der Vater kann abends dem Kind etwas erzählen oder den Bauch der Mutter berühren. Beide Elternteile sollten die Gelegenheit nutzen, ihrem Kind zu vermitteln, dass es willkommen ist. So wird es sich als eigenständig erleben, um ohne Selbstverlust geboren werden zu können. 

 

Wie wird man „ohne Selbstverlust“ geboren?

Dr. med. Ludwig Janus: Viele Kinder kommen halb ohnmächtig, innerlich zerrissen auf die Welt. Sie sind zwar draußen, aber eigentlich noch seelisch verwachsen mit der Mutter. Manche werden zu Schreikindern, weil sie sich selbst nicht finden. All das kann ausgeglichen werden, wenn die Mutter schon vor der Geburt ihr Kind kennen und lieben lernt und sich auf vorgeburtliche Kommunikation einlässt.

 

Gibt es Methoden, mit denen man diese Form der Kommunikation
in der Schwangerschaft erlernen kann?

Dr. med. Ludwig Janus: Die von Jenö Raffai und György Hidas entwickelte
Bindungsanalyse unterstützt Frauen dabei, zu ihrem Kind hinzuspüren und sich über Gefühle, Bilder, Gedanken und Fantasien miteinander auszutauschen. Im Buch „Nabelschnur der Seele“ sind ihre Erfahrungen mit der Bindungsanalysein gesammelten Aufsätze zusammengetragen worden. Hier wurden einzelne Fallbeispiele ausgewählt, bei denen eine erstaunliche Kommunikation stattfand. 

 

Was fördert, was erschwert die Kommunikation zum Baby im Bauch?

Dr. med. Ludwig Janus: Die werdende Mutter sollte regelmäßig innehalten und verstehen, dass sie unendlich wichtig für ihr Kind ist. Steht sie aber in stressigen Arbeitsprozessen, lebt sie ungesund, geht sie viel zu spät ins Bett, raucht oder trinkt sie gar und vernachlässigt sich und die Bedürfnisse ihres Babys, dann ist das für das Kind fatal. Nutzt sie hingegen ihr Potenzial, eine liebevolle Beziehung zu dem Kind in ihr aufzubauen, hat das eine Menge
positiver Auswirkungen.   

 

Weitere Informationen:

www.ludwig-janus.de

www.bindungsanalyse.de

 

Im Mai 2019 Neugründung des
„Instituts für Pränatale Psychologie und 
Medizin“


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